Hamburger Orgelsommer in St. Michaelis: Wolfgang Zerer
Johann Sebastian Bach: Präludium G-Dur BWV 541/1
Johann Sebastian Bach: Trio super »Herr Jesu Christ, dich zu uns wend« BWV 655
Johann Sebastian Bach: Fuge G-Dur BWV 550/2
Georg Muffat: Toccata tertia aus: »Apparatus musico-organisticus«
Johann Sebastian Bach: Fuge d-Moll BWV 539/2
Olivier Messiaen: »Les choses visibles et invisibles« (Die sichtbaren und die unsichtbaren Dinge)
aus: »Messe de la Pentecote« (Pfingstmesse)
César Franck: Grande Pièce Symphonique op. 17
Einige Präludien und Fugen Johann Sebastian Bachs sind in zeitgenössischen Quellen mit einem Trio als Mittelsatz überliefert. Möglicherweise spiegelt dies eine liturgische Praxis der Zeit wider (Präludium am Beginn des Gottesdienstes, Trio sub communione, Fuge als Nachspiel). Im heutigen Konzert wurde in Anlehnung daran eine etwas ungewöhnliche Zusammenstellung gewählt: das Präludium (BWV 541) wird mit der Fuge eines anderen Werkes (BWV 550) kombiniert, dazwischen erklingt das Trio über den Choral „Herr Jesu Christ, dich zu uns wend“ aus den sogenannten 18 Leipziger Chorälen. Alle drei Werke sind von einer „sprühenden Vitalität“ geprägt und die Tonart G-Dur drückt in der Barockzeit in besonderer Weise Freude aus.
Georg Muffats „Apparatus musico-organisticus“ wurde 1690 publiziert. Die Sammlung vereinigt die beiden in der damaligen Zeit besonders populären Stile (italienisch und französisch) zu einem sog. „vermischten Stil“. Die 5-teilige Toccata tertia ist dafür ein besonders schönes Beispiel: nach einer italienisch geprägten Einleitung folgen eine Canzona, ein ruhiger Mittelteil im sogenannten „stile di durezze e ligature“ und eine 2-teilige französische Fugue.
Johann Sebastian Bach hat zahlreiche Werke sowohl anderer Komponisten (z. B. von Antonio Vivaldi) als auch eigene Kompositionen (Kantatensätze, Concerti) für Orgel übertragen. Ein besonderes Beispiel dafür ist die Fuge in d-Moll (BWV 539): die Vorlage dafür stammt aus der Partita für Violine solo (BWV 1001). Es ist beeindruckend, wie Bach das typische Streicher-Idiom auf die Orgel mit deren spezifischen Möglichkeiten überträgt.
Die „Messe de la Pentecôte“ (Pfingstmesse) von Olivier Messiaen ist 1950 entstanden. Der 2. Teil („Les choses visibles et invisibles“ – die sichtbaren und die unsichtbaren Dinge / Nizänisches Glaubensbekenntnis) ist dabei der umfangreichste und vielfältigste Satz daraus. Die verschiedenen Abschnitte sind sehr kontrastreich gestaltet und einige Charakteristika seien kurz benannt: Verwendung von Hindu-Rhythmen, dunkle Registrierungen (Kampf gegen die Finsternis und ihre Mächte), helle Farben, Vogelstimmen, Nachahmung von Wassertropfen u. a.
Messiaen hat sich selbst zu diesem Werk geäußert: „Das Unsichtbare ist die Domäne des Heiligen Geistes:
Berühmt ist César Francks emphathische Äußerung über die Orgel: sie ist „mein Orchester“. Diese orchestral-symphonische Ausrichtung hat sicher besonders Gültigkeit für sein 1863 entstandenes Werk „Grande pièce symphonique“. Es markiert den Beginn der französischen Orgelsymphonik der Spätromantik. Dieses Werk (von enormer Ausdehnung) ist nicht in mehrere Einzelsätze aufgeteilt, sondern in einem „großen Wurf“ konzipiert, bei dem die einzelnen Formteile nahtlos aufeinander folgen: langsame Einleitung (Andantino serioso), Hauptsatz (Allegro non troppo e maestoso), langsamer Satz (Andante), Scherzo (Allegro), Kombination der einzelnen Teile und abschließende Fuge. Manche Parallelen und gegenseitige Inspirationen gibt es im symphonischen Werk von Franz Liszt und insbesondere in den Werken von Francks Freund Charles Henri Valentin Alkan, dem das Werk gewidmet ist.
Wolfgang Zerer
Wolfgang Zerer, geboren 1961 in Passau, erhielt seinen ersten Orgelunterricht vom Passauer Domorganisten Walther Schuster. Ab 1980 studierte er in Wien (Orgel bei Michael Radulescu, Cembalo bei Gordon Murray, Dirigieren bei Karl Österreicher und Kirchenmusik). Weitere Studien führten ihn nach Amsterdam (Cembalo bei Ton Koopman) und nach Stuttgart (Kirchenmusik / Orgel bei Ludger Lohmann).
Er war Preisträger verschiedener Orgelwettbewerbe (u. a. in Brügge und Innsbruck). Nach Lehraufträgen in Stuttgart und Wien wurde er 1989 auf eine Professur für Orgel an die Hochschule für Musik und Theater Hamburg berufen.
Seit 1995 ist er als Gastdozent am Prins Claus Conservatorium Groningen / Niederlande tätig, seit Oktober 2006 lehrt er als Dozent für Orgel an der Schola Cantorum in Basel / Schweiz.
Konzerte, Kurse, Jurytätigkeit und Aufnahmen führten ihn in die meisten Länder Europas, nach Israel, Nord- und Südamerika, Japan, China und Südkorea.