Eine Orgelweihpredigt in St. Nikolai Billwerder

Nicolaus Lütkens, der 1675 in Hamburg geboren wurde, war von 1711 bis 1733 als Pfarrer in Billwerder tätig – und zwar (nomen est omen) an der Nikolaikirche. 1726 hatte die dortige Gemeinde einen Grund zu feiern: Eine neue Orgel wurde eingeweiht. Zu diesem Anlass oblag es Lütkens, eine Predigt zu halten. Eine solche Einweihung einer neuen oder renovierten Orgel zu vollziehen und zu diesem Anlass zu predigen, war seit dem frühen 17. Jahrhundert im Luthertum durchaus keine Seltenheit. Dagegen ist der gedruckte Text der Orgelweihpredigt, der sich in der Staatsbibliothek Leipzig befindet, ein echtes Unikat.


In jenen Gottesdiensten zur Einweihung der neuen Orgeln lag der Fokus auf der geistlichen Musik, in der die Verkündigung der frohen Botschaft, Frömmigkeitsvollzug und lebendiger Glauben zusammenspielten. In den Orgelpredigten ging es in der Regel – wie sollte es anders sein – um die Orgel, die Königin der Instrumente, um erbauliche Musik und Liedtexte. Geistliche Musik im gemeinschaftlichen Gottesdienst auf Erden wurde als Vorgeschmack (oder vielleicht besser: als Präludium) des künftigen himmlischen Gotteslobes, welches auch die Engel praktizieren, angesehen.

Niclaus Lütkens: Hymnosophia Sacra. [...]. Hamburg/Billwerder 1728, fol. A 1r. 
Niclaus Lütkens: Hymnosophia Sacra. […]. Hamburg/Billwerder 1728, fol. A 1r. Quelle: Leipziger Städtische Bibliotheken – Musikbibliothek
So auch in der Einweihungspredigt Lütkens‘. Obwohl diesem, wie er seine Adressaten wissen lässt, manch neumodischer Text missfällt, ist seine Hochschätzung geistlicher Musik (zum Beispiel Luthers Lieder!), die ihn fasziniert und inspiriert, allenthalben in seiner Predigt greifbar. König David gilt bei ihm, wie oftmals in den Orgelpredigten, als Vorbild der Kirchenlieddichter und -musiker. Da zeigt sich etwa, wie tröstlich und befreiend es sein kann, lauthals zu Gott zu singen. Wer in die gemeinschaftlichen christlichen Gesänge einstimmt, lobt und preist Gott, und sollte dies nach Lütkens‘ Meinung ehrfürchtig tun. Recht kritisch ist Lütkens gegenüber den anderen christlichen Konfessionen – und vor allem gegenüber denjenigen Personen, welche die Musik nicht achten oder womöglich gar aus den Gotteshäusern verbannen wollen. Nicht verschwiegen werden darf indes die Gefahr, die sich in Lütkens’ Geringschätzung jüdischer Musik seiner Zeit zeigt. 

Einen Gottesdienst ohne Musizieren konnte sich die Gemeinde nicht vorstellen. Und auch wenn die besagte Orgel von 1726 (nach einem großen Brand im frühen 20. Jahrhundert) heutzutage nicht mehr existiert, verbindet doch die Liebe zur geistlichen Musik die im Bereich der Kirchenmusik überaus engagierte Gemeinde heute mit jener Gemeinde damals. 

Text: Frank Kurzmann