Forever Young
Musik kann man heute immer und überall hören. Das ist schön und gut. Doch gibt es eine Schattenseite des allgegenwärtigen Musikglücks: Was immer und überall da ist, wird schnell gleichgültig und wertlos. Man hört gar nicht mehr richtig, ist nicht „dabei“.
Das ganz Besondere an der Orgelmusik ist nun, dass man sie eigentlich nur an Ort und Stelle genießen kann. Jede Orgel ist anders, ein Einzelstück, unverwechselbar. Wer sie kennenlernen will, muss sich deshalb aufmachen und sie dort besuchen, wo sie zu Hause ist: in ihrer Kirche oder ihrem Konzertsaal. Dort kann man dann ein Musikerlebnis genießen, das bei Spotify etc. undenkbar wäre: im Raum mit einer einzigartigen Atmosphäre, mit dem eigenen Körper (die tiefen Orgeltöne muss man im Bauch spüren!) und mit anderen Menschen, die sich ebenfalls auf den Weg gemacht haben. Das nennt man „live“ – also lebendigen und leibhaftigen Musikgenuss. Die Wirkung kann man gut bei Menschen beobachten, die in der Elbphilharmonie ein Orgelkonzert besuchen. Es scheint, dass sie eigentlich nur wegen des Gebäudes gekommen sind, doch dann packt sie die Orgel dort mit voller Wucht, und sie sind wie entrückt. Ähnliches ließe sich übrigens in vielen Hamburger Kirchen erleben: Gerade weil die Orgel sich der Digitalisierung entzieht, bleibt sie „Forever Young“!
Text: Johann Hinrich Claussen